Tüpfelmaske
Seit meiner Rückkehr war nichts mehr wie zuvor. Vipernstern hatte mich angesehen, als wäre ich ein Geist – ein Schatten aus einer Zeit, die er längst hinter sich gelassen hatte. Kein Wiedersehen, keine Freude. Nur Eis in seinem Blick und Bitterkeit in jedem Wort, das er an mich richtete. Als hätte ich ihn verraten, weil ich gelebt hatte… ohne ihn. Doch hatte ich das nicht auch? Selbst dass ich Schattenspiel getötet hatte, hat nichts für ihn geändert.
Wir lebten nebeneinander, aber nie wieder miteinander. Worte wurden zu Waffen, und jede Begegnung war ein weiterer Riss in dem, was einmal gewesen war. Der Clan sah nie die zwei ehemalige Gefährten im Streit – doch in mir wuchs etwas Düsteres heran. Ein brodelnder Zorn, der mich vergiftete. Ich hatte gehofft, heimzukehren… stattdessen fand ich einen Albtraum, der meinen Namen flüsterte.
Und dann… war er fort.
Spurlos verschwunden, als hätte der Wind ihn geholt. Kein Zeichen. Kein Geruch. Kein Laut. Nur Leere. Und obwohl mein Herz längst zerschmettert war, spürte ich nur eines: Ich muss ihn finden. Ob tot oder lebendig – ich konnte ihn nicht loslassen. Nicht so. Nicht ohne Antwort.
Ich brach auf, ohne Ziel. Meine Pfoten trugen mich durch Schlamm, Dornengestrüpp und Dunkelheit, geleitet von Wut und Wahnsinn. Die Nächte wurden länger. Tiefer. Und dort, im Flüstern der Schatten, fand ich ihn. Finsterwald. Kein Krieger aus Fleisch, sondern ein Echo des Bösen. Er sprach zu mir. Trainierte mich. Führte mich auf Pfaden, die kein Licht je berührt hatte. Ich hätte umkehren können. Vielleicht. Doch die Stimmen in meinem Kopf hatten andere Pläne. Sie flüsterten von Rache. Von Blut. Von Lavapfote. Von Vipernstern. Nur ein Sonnenaufgang war vergangen, bis ich mich entschloss, alles hinter mir zu lassen. Den Clan. Meine Jungen. Die letzte Spur von Licht in mir. Ich war nichts mehr als eine leere Hülle, gefüllt mit der Gier, sie beide zu finden… und zu vernichten. Ich folgte ihren Spuren wie eine Furie, geblendet von Zorn, zerfressen von Hunger. Irgendwann verlor ich sie – irgendwo bei einem Ort, der nach Kräutern roch und nach Schuld. Und ich irrte weiter. Tag um Tag. Nacht um Nacht. Bis mein Körper schwach wurde. Bis meine Gedanken nur noch wimmerten. Schließlich blieb nur noch der Schmerz. Und das Flüstern. Immer näher. Immer eindringlicher. Der SturmClan… hatte mich geliebt. Aber ich war kein Teil von ihm mehr. Mein Herz gehörte der Dunkelheit. Und dort, im Schatten zwischen den Welten, wartete der Wald der Finsternis – mit offenen Klauen.
Der Wind schnitt kalt über die endlose Ebene. Kein Baum, kein Fels, nur das hohe, trockene Gras, das sich im Sterben noch gegen den Sturm aufbäumte – wie ich. Ein einsamer Fleck aus Staub und Stille im Herz des SturmClan-Territoriums. Und hier, wo einst das Leben blühte, wartete nun der Tod auf mich.
Meine Pfoten trugen mich nicht mehr. Jeder Atemzug war ein Ringen. Mein Körper – ausgemergelt, gebrochen, nichts mehr als ein Schatten meiner selbst. Die Sonne stand tief, doch sie wärmte nicht. Sie verurteilte.
Ich war zurückgekehrt. Nicht um zu bitten. Nicht um zu bleiben. Sondern um zu vergehen.
Keiner sah mich. Keiner hörte mein letztes Keuchen. Vielleicht war das besser so. Vielleicht hätte es der SturmClan nicht verstanden. Wie auch? Ich war nicht mehr die, die ich einst gewesen war. Ich war nicht mehr Tüpfelmaske, Gefährtin, Mutter, Kriegerin. Ich war… eine Hülle. Zerfressen von Schuld. Geleitet von Hass. Ich hatte zu lange in den Schatten gelebt. Und irgendwann hatte ich vergessen, wo das Licht war.
"Vipernstern." Der Name verließ meine Lippen wie ein Fluch – nicht aus Liebe, sondern aus brennender Verachtung. Ich hatte dich gesucht. Ich hätte für dich getötet. Vielleicht tat ich es noch. Vielleicht… wartest du dort schon auf mich.
Und Lavapfote… meine Tochter. Mein Blut. Auch du hattest mich verraten. Dein Blick – so kalt wie seiner. Ihr wart beide mein Verderben. Oder war ich es selbst?
Die Dunkelheit senkte sich langsam über mich, nicht wie Schlaf, sondern wie ein Mantel aus Pech und Flammen. Und dann hörte ich es.
Das Flüstern. Es kam aus dem Gras. Aus der Erde. Aus meinem Innersten. Der Wald der Finsternis rief. Und ich antwortete.
Ein letzter Atemzug.
Ein letzter Gedanke:
Ich kehre heim - in den Wald der Finsternis.